Samstag, 8. September 2007
Ich will heiraten!
Irgendjemanden. Ich muss mich nur gut mit ihm betrinken können.
Ich will diese Euphorie erleben, die man allgemein mit der eigenen Hochzeit verbindet, die ich aber kaum für möglich halte, passiert es nicht aus absoluter Unvernunft. Ich will niemandem zu meinem Mann machen, wenn ich mir das vorher gut überlegt haben soll, und dafür in ungefähr 3 Monaten morgens früh aufstehen muss.

Eine Nacht lang will ich jemanden so nah sein, wie möglich. Er soll mein Blut trinken, Fleisch aus meinem Unterarm reißen und ich möchte auch in den Genuß kommen. Es soll wild, konsequent und berauscht sein. "Do something witchy!"
Wir berauschen uns aneinander, haben perversen, animalischen Sex, können kaum mehr laufen, weil die Nacht in allen Belangen ein Exzess ist. Es gibt nichts anderes als diese Nacht, keine Zukunftspläne, kein "Ich liebe dich für immer", keinen Ring, nur schwindelerregenden Überschwang. Wir sind so sehr eins, jeder weitere Tag könnte nur ein Auseinandertriften bedeuten und würde dazu führen dass wir diese absolute Vereinigung bereuen.

Wenn es Morgen wird, werden wir uns trennen. Ich will nichts behalten außer den frischen Wunden, einen schönen Nachnamen und eine Nacht die ewig die großartigste meines Lebens gewesen sein wird, und die Gewissheit dass es meinem Mann, dessen Namen ich Jahre später schon längst vergessen hätte, würde ich ihn nicht teilen, genauso geht.

na, wer will? ;)

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Der Versuch eines normalen Lebens
Montag

Bis 16:00 Uhr schlafen, dann mit meinen Neffen auf den Spielplatz gehen.

Dienstag

BZP(*) testen , in der Nacht unglaublich viel reden ohne was zu sagen. Morgens sind meine Lippen feuerrot und meine Augen weit aufgerissen. Die Welt geht unter. Aber ich bin ja wach geblieben um mir das anzusehen. Der Rausch ist den Kater nicht wert. Der mir aber wiederum einen Rückfall. Heroin flickt die Nerven.

Mittwoch

Das Briefchen mit dem "golden brown" (**) ist noch nicht leer. Bedeutet das ich war sparsam, hatte meine Gier im Griff, oder war es die dieselbe die mich antrieb etwas für den nächsten Tag aufzubewahren?
Ich liege den ganzen Tag wachträumend im Bett.

Donnerstag

Unter dickem Make Up verschwinden die Spuren der letzten Tage und mein schlechtes Gewissen. 14:00 Uhr Termin bei der Substitutionsärztin, die mir mein Polamidon für die nächste Woche aushändigt.
Danach treffe ich mich mit einer Freundin zum Cafe und erzähle ihr von meinen Fortschritten. Je mehr ich rede, desto leichter fällt es mir zu glauben was ich sage.

Freitag

Termin bei meiner psychosozialen Betreuerin der Drogenberatungsstelle. Nein, ich komme nicht vorran, und diesen Termin hätte ich eigentlich auch am Mittwoch gehabt. Ich hab es einfach vergessen.
Danach geht es zum Kindergartenfest meines Neffens und dann zu Besuch zu meinen Eltern, die sich freuen dass ich endlich gegen etwas ankämpfe von dem ich glaube dass es längst schon gewonnen hat. Aber ich will ja niemanden enttäuschen.

...
.

und so weiter.


** The Stranglers - Golden Brown




* siehe: http://www.drug-infopool.de/rauschmittel/a2_bcp_benzylpiperazin.html

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360 Grad
Ich habe einen Menschen kennengelernt, der mir glücklicher und weiser scheint als alle die bisher meinen Weg kreuzten.
Und ja, das irritiert mich verdammt nochmal.

Natürlich will man etwas davon ab haben, wenn man so ein perfekt funktionierendes Lebensmodell entdeckt. Aber dann kommt wieder der große Zweifler in mir: "Nein, da muss es eine dunkle Seite geben, wahrscheinlich eine durch ein Trauma ausgelöste Amnesie, Selbstverleugnung, vielleicht fristet er ein Dasein in den Klauen einer brutalen Ganzheitlichkeits-Sekte, die ihn dazu zwingt so glücklich zu wirken.."

Und während ich noch das große NEIN formuliere, tippe ich schon "Herzöffnung" bei Google ein und fühle mich als würde ich meine Grundsätze verraten. Und dann auch wieder nicht, denn vielleicht führt der "Weg zum Licht" ja wirklich über Indien, oder, für die mit wenig Zeit, über 3-tägige Seminare bei Menschen, die sich selbst "glücklich" nennen (wenn das nicht schon ein Wunder ansich ist, was dann?).

Bisher schien mir alles immer ziemlich einfach, und was einfach schien, schien mir wahr:

Ererbte hirnchemische Dispositionen machen mich unglücklich, dem trete ich entgegen in dem ich möglichst massiv in meinem Transmitterhaushalt rumpfusche. Dies wiederum bewirkte weitere hirnchemische Wirrungen, welche mich obendrein auch wahnhaft machten. In diesem Wahn kam mir das Modell der Gedanken, die die Welt formen, einleuchtend vor. Somit wäre man wieder bei der, erwiesenermaßen funktionierenden, Autosuggestion und ich muss eigentlich nur eins lernen: Das richtige Denken.

Nun treffe ich bei dieser Suche nach der richtigen Technik der inneren Welterbauung auf diesen ganzen Hippiekram. Nachdem ich zuvor schon die Quantentheorie, den (modernen!) Satanismus, das allesumfassende Chaos und die weiße Magie bemühte.

Soll ich meine weltlichen Anker wirklich lichten und darauf hoffen in einem Land mit mangelnder Hygiene zu meinem, doch sehr nach hygiene-verlangenden, Ich zu finden? Oder endet auch diese Sinnsuche wieder bei 4mg Risperdal, Erhaltungsdosis? Er-halt-ungs-do-sis.
Was soll es denn eigentlich erhalten? Den weißen Streifen geistiger Gesundheit am Horizont, die kurze Phase in der ich, aus Versehen, gesellschaftsfähig bin?

Vielleicht drängt sich der Gedanke auf, dass ich brav meine Tabletten nehmen und die überlangen Ärmel meines weißen Pullovers zusammenknoten soll, dann werde sich das Glück schon automatisch einstellen. Was könnte schon glücklicher machen als ein gesunder Geist?

Gemeine Fangfrage... Kurz wollte ich antworten, dass ich in offensichtlich "gesunden" Phasen auch nicht glücklich war. Aber das führt wiederum zur Frage: War ich denn eigentlich schonmal gesund?

Ich war glücklich als ich überzeugt war, dass die Welt nur in meinem Kopf existiere, alles bloß Konstrukt meiner Gedanken und somit meinem Willen total unterlegen ist.

Die Überzeugung zaubern zu können und die Schutzengel der einzelnen Elemente und Himmelsrichtungen um Hilfe bitten zu können, hat mich auch ziemlich glücklich gemacht.

(In die letzten 2 Absätze lässt sich leicht ein minimaler Kontrollzwang hereininterpretieren, oder?)

Und die Zeitspanne in der alles plötzlich Sinn machte und möglich war und ich die Autorität der Quantenphysiker auf meiner Seite hatte, die war eigentlich auch ziemlich unbeschwert.

Jetzt allerdings, in denen mir von Ärzten, Mitmenschen und kleinen, weißen Pillen glaubhaft versichert wurde, dass diese Überzeugungen doch eher wahnhafter Natur waren, bin ich ängstlich, verwirrt, rastlos.

Eventuell wirkt es nicht ganz so psychotisch, wenn ich mein Glück im Aussteigertum suche, so wie es heutzutage modern ist bei Kindern der oberen Mittelschicht, die nach ihrem Abitur noch schnell die Weisheit mit Stäbchen fressen wollen. Wahrscheinlich wird man sagen, dass ich mich weiterentwickeln wolle, mich selbst suche.

Als ich Schutzkreise auf offener Strasse schlug, darüber nachdachte ob ich mir aus Solidarität zu Charles Manson ein Hakenkreuz zwischen die Augen ritzen soll, mir aus Geldmangel 5 Euro materialisieren wollte kraft meiner Gedanken oder als ich die Pillen, die in meiner Hirnchemie Chaos anrichten selbst aussuchte und nicht auf Rezept erhielt, da galt ich als verloren.

Dieser Mensch, von dem ich am Anfang erzählte, vielleicht war er ja schon vorher, bevor er die Quelle seines Glückes benennen konnte, glücklich und (lebens-)bejahend. Dies würde bedeuten dass es im Endeffekt doch immer darum geht, auf welche Farbe wir beim prenatalen Serotonin-Roulette setzten. Und schon wieder habe ich im Kreis gedacht und ende wieder dort wo ich begonnen habe:

Ererbte hirnchemische Dispositionen machen mich unglücklich, dem trete ich entgegen in dem ich möglichst massiv in meinem Transmitterhaushalt rumpfusche. Dies wiederum bewirkte weitere hirnchemische Wirrungen, welche mich obendrein auch wahnhaft machten. In diesem Wahn kam mir das Modell der Gedanken, die die Welt formen, einleuchtend vor. Somit wäre man wieder bei der, erwiesenermaßen funktionierenden, Autosuggestion und ich muss eigentlich nur eins lernen: Das richtige Denken.

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And you can't believe that he's really gone
- When all that's left is a fucking song
(Bright Eyes - Happy Birthday to me)

Ich hätte damals nicht in diese verfickte Straßenbahn steigen sollen, als du mit Tränen in den Augen unter dem lebensfeindlichen, gelben Laternenlicht standest. Ich glaube daran dass der Flügelschlag eines Schmetterlings...und so weiter...
Vielleicht wäre es dann wahr und wir alle würden weiter "schweben". (*)

Doch die Bahn fuhr los, du wurdest immer kleiner wie du da standest an der Haltestelle und stimmlos etwas Liebe verlangtest. Ich habe dich nie wieder gesehen. Du fehlst mir.

Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich dir niemals wieder Musik empfehlen kann und auch du mir keine verborgenen Schätze zeigen mehr zeigen wirst.
Irgendwie bestand unsere Freundschaft aus Worten, sie begann mit den geschriebenen, wurde greifbar mit den gesprochen, nährte sich durch gesungene und endete mit diesen: R. ist tot.

Niemals traf ich jemanden dessen Worte so lebendig waren wie deine, der seinen Blick auf die Welt so treffend und mitreißend formulierte, dass man glaubte man könne durch seine Augen sehen.
Was wir zusammen erlebten war dem Leben so fern, dass ich es bis heute nur mit dir teile. Ich hasse es, dass es niemals mehr in deinen Worten Revue passieren wird, denn meine fehlen.

Unser letztes Gespräch hatte die Two Gallants zum Thema. Dabei hätte ich soviel anderes zu sagen gehabt. "Entschuldigung" und "Warum hast du das getan?" hätte ich sagen sollen. Etwas wichtiges.
Einmal hast du mich singend getröstet:

(*)
Ok don't worry we'll all float on
Even if things get heavy we'll all float on
Alright already we'll all float on
Don't you worry we'll all float on
All float on
(Modest Mouse - Float On)

Leider stimmt das nicht. Jetzt nicht mehr.


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2 Löcher
zieren nun meinen Hals, denn ich musste mein geliebtes Piercing letzt schon zum zweiten Mal herausnehmen. Nur stellt sich der Verheilungsprozess diesmal etwas komplizierter dar, und wenn die Haut zu sehr vernarbt, dann kann ich es nicht nochmal nachstechen lassen und alles was übrig bleibt sind zwei rote Punkte, die obendrein noch zu nah beieinander liegen um als Vampirbiss gelten zu können.

Ein vernünftiger Mensch würde nun die Stelle pflegen und heilen lassen, nicht aber doch das Katzenwesen, das aus reiner Neugier und ich-weiß-nicht-was mit einer heißen Nähnadel in die rosarote Haut sticht, die die zwei Löchlein seit neustem bedeckt und sich fragt was dann passiert. Und dann kann es nicht aufhören, obwohl es weiß dass diese Aktion bar jeder Logik und Weitsicht ist und außerdem passiert ja auch nichts, was nicht zu erwarten gewesen wäre. Es blutet.

Ich bin wirklich kein SVV'ler (*) oder so. Ich habe nur ein denkbar seltsames Verhältnis zu Nadeln. Früher hatte ich eine Spritzenphobie, mittlerweile erfreut mich jeder Vorwand der sich bietet um mir mit einer Nadel in mein Fleisch zu fahren.

Vielleicht kennt ja jemand der das hier liest ein Wundermittel für schnelle, narbenfreie Wundheilung?
Ich möchte mein Piercing so gerne und schnell wiederhaben.

Manchmal versteh ich mich selbst nicht...

Hier ein Foto, meines sehr vermissten Schmucks.
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*: siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstverletzendes_Verhalten

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Wofür es sich zu leben lohnt II
Für diesen Moment lohnt es sich defintiv zu leben und ich fürchte fast, es lohnt sich auch für ihn zu sterben.

Ich öffne ein kleines weißes Briefchen und leere das ihm enthaltende braune Pulver zu 2/3 auf einen Löffel, ich greife mit Daumen und Zeigefinger in eine kleine Dose voll Ascorbinsäure und füge meinem "warm, glowing oil" (*) etwas davon hinzu.

Ich ziehe die Spritze mit Wasser auf bis der Spiegel die 30 Units-Markierung berührt und gebe auch dies auf den Löffel.

Ich erhitze es, die Flamme die das Metall schwärzt und das H auflöst wird bald durch meine Venen fließen und das Mädchen mit den Zündhölzern wärmen.

Durch einen dünnen Streifen eines Zigarettenfilter ziehe ich die Lösung in die Düse der Spritze, halte die Nadel nach oben und scheuche die Luftbläschen weg indem ich mit einem Finger gegen das so teuer gewordene Plastik schnippe.

Mit einem schwarzen Stoffband binde ich meinen Arm ab, ich zittere, Schweiß steht mir auf der Stirn. Noch immer ekel ich mich vor dem Eindringen in meine Venen, auch wenn ich nichts lieber tu.

Ich setze die Nadel flach an, taste nach meiner gequälten Vene. Sicher bin ich nicht, ob an dieser Stelle noch etwas zu holen ist unter der von verheilten Abszessen ergrauten Haut, aber auch jeder fehlgeschlagene Versuch ist das zu Erwartende wert.

Ich habe Glück. In die Düse schießt ein dünner Faden hellrotes Blut, trennt die braune Flüssigkeit, ein Fluß aus Blut im Ödland.

Langsam drücke ich den Kolben herunter. Noch bevor ich die Nadel herausziehen kann erfasst mich eine Welle heißen Glücks, meine Pupillen verengen sich, jeder einzelne Muskel meines Körpers entspannt sich.

Ich wünsche nicht mehr, ich verlange nicht mehr, ich hoffe nicht, ich fürchte mich nicht. Ich bin einfach nur im Jetzt und die Welt ist still.

Beim Schreiben dieses Textes bin ich tausend Tode gestorben. Meine letzte Injektion ist 4 Monate her. In diesen 4 Monaten war ich glücklich. Aber nie so richtig.



*(Der von Björk geklaute Begriff "warm, glowing oil", den ich mit dem Gefühl eines Heroinrauschs assoziere, kommt in ihrem Lied "Heirloom" vor. Die Stimmung des Liedes trifft es auch sehr gut, deswegen hab ich mal das Video zu Heirloom dazu-editiert. nebenbei, das Video dass ich dazu gefunden habe, finde ich wirklich schön!)

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